FreeCAD: Ein Klipschorn muss es sein. (2024)

In dieser Folge möchte ich zeigen, wie ich bei dem allerersten Brett für die Lautsprecherkiste vorgegangen bin. In der realen Welt bliebe bei den meisten Nachbauten dieses Brett einfach nur ein Brett ohne sonderliche Vorbereitung. Aber wir haben ja FreeCAD.


Bild 1

An diesem Brett habe ich mir am Anfang die Zähne ausgebissen, natürlich nur die virtuellen. Aber der Reihe nach. Im Zusammenhang mit diesem Brett verweise ich auf die im System verwendeten Planes und Achsen. Bei simplen Teilen mag es nicht von Belang sein, aber bei komplexen Projekten möchte ich gerne deterministisch vorgehen und deswegen habe ich mir angewöhnt, dem System strikt zu folgen.

In der folgenden Beschreibung habe ich die Bilder zusammen geschnitten, links das "fertige" virtuelle Produkt nach jedem Arbeitsgang. Und rechts der Sketch, der zum Produkt führt.


Bild 2

Das Geheimnis in der 3D-Darstellung scheint zu sein, einfach geometrische Formen zu verwenden. In dem Falle ist es zunächst ein stinknormales Rechteck, zentriert und mit 2 Maßen versehen. Für das Zeichnen des Rechtecks gibt es ein Werkzeug, das mit der Maus zunächst ein rohes Rechteck auf den Bildschirm zaubert. Mit dieser Aktion hat man 4 Constraints in die Liste aufgenommen, zwei waagerechte und zwei senkrechte. Die Constraints erkennt man an den kleinen Strichen, die parallel zum Verlauf der Linien verlaufen. Ein solches Rechteck lässt sich auf dem Bildschirm nicht verdrehen, es ist für die Dauer seines Lebens zu einem waagerechten oder senkrechten Dasein verdonnert. Die nächste Aktion ist das Zentrieren des Rechtecks, dazu wählt man zwei sich diagonal gegenüber liegende Ecken aus, und zum Schluss als dritten Punkt den NullPunkt des Koordinatensystems, damit hat man das Rechteck im System verankert. Dieses Zentrieren ist so ziemlich die einfachste Möglichkeit, die Lage des Rechtecks dem System bekannt zu machen. Zum Schluss werden noch die beiden Maße vergeben, weiß bedeutet hier, dass die Maße an einer anderen Stelle und nicht in diesem Sketch vereinbart wurden.

Noch zwei Worte zum Sketch. Es stehen drei grundsätzliche Arten der Planes zur Verfügung, XY-Plane, XZ-Plane und YZ-Plane. Für eine muss man sich entscheiden. Meine Wahl fiel auf die XZ-Plane, da sich die meisten Elemente meiner Lautsprecherkiste sich in dieser Ausrichtung wiederfinden. Man kann die Planes nachträglich noch ändern, das ist aber mit Vorsicht zu genießen. Also vorher gut überlegen. Ein Sketch ist dann abgeschlossen, wenn die geometrische Figur völlig bestimmt ist, dann vermeldet der Solver ein fröhliches "Fully constrained". Auch hierbei muss man wieder Vorsicht walten lassen, es gibt Konstruktionen, die "Fully constrained" sind aber trotzdem keine Weiterverarbeitung zulassen. Der grüne Linienzug muss geschlossen sein. Eine Maus darf kein Schlupfloch finden, um weder hinaus noch hinein zu können.

Den Abschluss der ersten Aktion bildet das "Pad-Werkzeug", die Frontplatte soll 18 mm stark sein, also gibt man 18 ein, es folgen noch ein paar mehr Einstellungen, aber das soll hier nicht das Thema sein, wenigstens zur Zeit nicht.


Bild 3

Jetzt fange ich an, die Platte zu zerfurchen. Das ist die Grundidee, beim 3D-CAD. Erst schafft man sich einen Körper, der im den nachfolgenden Arbeitsgängen durch "Zerspanen" verändert wird. Das kommt der späteren Bearbeitung in der Werkstatt schon ziemlich nahe. Im Falle von Bild 3 lege ich zwei V-Nuten an, jeweils eine an den langen Außenkanten, sowie eine Rechteck-Nut (12x6)in der Mitte. Zu diesem Zweck zeichne ich das Profil der jeweiligen Nuten maßstabsgerecht in den Querschnitt der Platte ein. Und ganz klar, für jede dieser Aktionen müsste ein eigener Sketch her, da aber die 3 Nuten hier in gemeinsamer Richtung und über die gesamte Länge verlaufen, kann dies in einem gemeinsamen Sketch erfolgen. Hilfsweise kann man sich ein Werkzeug vorstellen, dass alle 3 Nuten in einem Arbeitsgang gräbt.

Den Abschluss der zweiten Aktion bildet nun das "Pocket-Werkzeug". Die Einstellung ist "through all".


Bild 4

Auf dem Bild sehe ich eigentlich 8 Arbeitsgänge, die mittlere Nut ist ja schließlich schon im letzten Arbeitsgang erledigt worden. Es wäre also naheliegend für das Grundmuster 2 ineinander verlaufende Langlöcher zu projektieren. Hier hat FreeCAD aber ein Problem von zwei sich schneidenden Pockets, und meckert, und hört mit dem Meckern gar nicht mehr auf, so dass es mich richtig aufgestellt hat. Des Rätsels Lösung wäre aber gewesen, die Langlöcher auf 2 Sketche zu verteilen. Kam ich aber nicht drauf, die anderen aus der FreeCAD-Gemeinde aber auch nicht. Ich habe dann alle Mühen darauf verwendet, die Kurvenzüge von 2 sich schneidenden Langlöchern auf einen Kurvenzug zu reduzieren. Bisweilen war ich so stolz auf meine Lösung, weil es mir gelungen war, einen komplizierten Kurvenzug zu basteln. Ich denke, die Lösung mit den 2 Sketchen ist aber wesentlich intelligenter, weil weniger aufwändig und ich werde meine Lösung aufgeben.

Auch hier geht's zum Abschluss zur Anwendung eines "Pocket-Werkzeugs".


Bild 5

Hier geht's um V-Nuten, die in die Rückseite der Frontplatte eingegraben werden sollen. Das Profil der V-Nuten wird in einen Sketch mit dem Bezug zur YZ-Plane eingezeichnet, also eine gewohnte Übung. Die Berücksichtigung der Besonderheit erfolgt im nachfolgenden "Pocket-Werkzeug", die Einstellung: symmetrisch auf eine bestimmte Länge. Und hier kommt meine Vorplanung in einem meiner Szene-Sketches zum Tragen. In dem oben gezeigtem Sketch kann ich nur das Profil unterbringen, die zusätzlichen Informationen kommen aus dem Szene-Sketch, in dem ich alle Informationen hinein geknüppelt habe, die sich irgendwie mit dem Thema befassen. Da alle Maße in irgendeiner Form zusammenhängen, sollten nach meiner Meinung alle Bezüge auch in einer Sicht dargestellt werden. Hier hätte FreeCAD noch einen erheblichen Verbesserungsbedarf, wenn man in einen Sketch noch zusätzlich erklärende Kommentare einfügen könnte.


Bild 6

In dieser Darstellung ergeben sich durch eine "echte" 2D-Konstruktion alle relevanten Maße wie von "selbst". An der 3. oder 4. Stelle hinterm Komma sollte man sich nicht stören, das lässt sich systembedingt nicht anders darstellen. Zwei hellblaue Linien am linken Teil des Ausschnitts stellen die Konstruktionsbedingungen für die schräg verlaufenden Langlöcher dar, rechts habe ich der formhalber nur 1 hellblaue Linie eingezeichnet, das reicht, um das Maß 361,445 abgreifen zu können. Das absolute Maß interessiert nicht mich sondern nur das "Pocket-Werkzeug", das sich auf die Länge der gewünschten V-Nut einstellen soll.


Bild 7

Wie auch bei dem vorhergehenden Arbeitsgang geht's auch hier wieder um V-Nuten. Es ist das gleiche Spiel nur eben mit anderen Parametern.


Bild 8

Ja, und die Falze hätte ich beinahe vergessen. In dem Ausschnitt aus dem Sketch habe ich die Zusammenhänge dargestellt. Wesentliche Bezüge ergeben sich aus einer "externen" Geometrie. "Extern" bezieht sich hier auf die Geometrie eines anderen Sketches. Dazu gibt es ein Werkzeug, mit dem ich die in FreeCAD so wichtigen "Kanten" erben kann. Man sieht hier das V-Profil aus dem dritten Bild, das wurde nicht neu gezeichnet, sondern es wurde eine Kante "geerbt", die in der Verlängerung tangential an einen Kreis mit dem Fräserdurchmesser anschließt. Der Abstand (Falzbreite) der oberen grünen Linie zur unteren beträgt 9,5 mm und wurde irgendwo in der Mitte des Sketches festgelegt - hier nicht gezeigt und kann irgendwie in der oberen Darstellung erahnt werden, auch diese Linie schließt tangential an den Kreis des Fräsers an. Die Falztiefe beträgt 6 mm, aber das erledigt das anschließende Pocket. So ganz nebenbei kann man noch ein Maß (19,8 mm) abgreifen, wenn es darum, Anschläge für die Oberfräse einzurichten.


Bild 9

Das ist nun das gute Stück, das im Laufe seines bisherigen virtuellen Lebens einige Veränderungen erfahren hat. Eine Änderung ist noch ausständig.


Bild 10

Das ist noch nicht das Ziel, es soll aber schon mal einen Vorgeschmack darauf liefern, was noch zu erwarten ist. Ich hab' hier mal die Frontplatte weggelassen, die ich im Laufe dieses Beitrags beschrieben habe. Die im Bild sichtbaren Teile und noch ein paar mehr sind bereits alle virtuell gefertigt worden. In diesem Projekt interessiere ich mich natürlich dafür, wie ich ein solches Projekt in meiner Werkstatt realisieren kann. Dass ich auf der rückwärtigen Fläche der Frontplatte so einige Nuten angelegt habe, hat damit zu tun, dass ich in der Vergangenheit beim Bau von Torsionsboxen gute Erfahrungen gesammelt habe. Die Vorzüge der Nuten möchte ich aber dieses mal weniger wegen benötigter Steifigkeit auskosten, sondern um den Zusammenbau beim Verleimen zu unterstützen. Und das bezieht sich auf zwei Gründe, zu einem vergrößert sich die Leimfläche wesentlich, bei der rechteckigen Nut auf das Doppelte, wobei dem senkrechten Teil der Nut bei der Bewältigung von Zugkräften der überragende Anteil zukommt. Und der andere Grund ist die Präzision bei der Positionierung von Bauteilen um die man sich beim Verleimen etwas weniger Sorgen machen muss.

EDIT:
Bild-Index hinzu gefügt.

Zuletzt bearbeitet:

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